Michael Sailstorfer

Zeit ist keine Autobahn - Minneapolis, 2009

Zeit ist keine Autobahn zeigt einen Reifen, der an einem stationären Motor montiert ist und sich mit enormer Geschwindigkeit dreht, ohne jemals voranzukommen. Reibung, Hitze und der Geruch von verbranntem Gummi füllen den Raum; schwarzer Abrieb sammelt sich wie ein physischer Beweis für verschwendete Kraft. Der Reifen frisst sich bei jeder Umdrehung ein Stück weiter selbst auf – Bewegung, die sich selbst vernichtet.

Die Arbeit stellt den Anschein von Tempo der tatsächlichen Unbeweglichkeit gegenüber. Energie wird freigesetzt, Geräusch produziert, Material verbraucht – und doch bleibt alles an Ort und Stelle. Sailstorfer knüpft damit an jene Gestalten an, die gegen das Unabänderliche anrennen: Sisyphus, Don Quixote, die ewigen Kämpfer gegen Windmühlen und Zeit.

Zeit ist keine Autobahn konfrontiert uns mit dem Paradox unserer eigenen Anstrengungen: Wie oft investieren wir enorme Energie, ohne uns wirklich zu bewegen? Die Arbeit macht diese Erfahrung sichtbar – mit einer Mischung aus existenzieller Klarheit und absurder Komik, die zugleich verstört und fasziniert.

  • tyre, iron, electronic engine, power cable and transformer

  • tyre and motor 100 x 85 x 66 cm (39 3/8 x 33 1/2 x 25 7/8 in.)

    transformer 20.5 x 45 x 18 cm (8 1/8 x 17 3/4 x 7 1/8 in.)

    installation dimensions variable

  • Unikat

Raketenbaum (Rocket tree), 2008

Rocket Tree verwandelt einen Baum in ein potenzielles Flugobjekt – ein scheinbar vertrautes Naturfragment wird zur Rakete, die bereitsteht, den Boden zu verlassen. Michael Sailstorfer verschiebt damit die Grenze zwischen Natur und Technik, zwischen Verwurzelung und Aufbruch. Der Stamm steht unter Spannung: Er trägt die Erinnerung an Wachstum, Erde und Landschaft – und zugleich die Möglichkeit eines abrupten Starts, einer metaphorischen Eruption.

Die Arbeit spielt mit physischer wie gedanklicher Energie. Sie ist Skulptur und Narration zugleich, ein eingefrorener Moment zwischen Ruhe und Bewegung. Rocket Tree lässt sichtbar werden, wie dünn die Linie zwischen Idylle und Intervention, zwischen Poesie und Technologie ist – und öffnet ein Feld für Projektionen, in dem Zukunftsbilder, Kindheitsfantasien und ökologische Fragen ineinander greifen.

  • Diasec on aluminium, in 2 parts

  • 2× 200 × 150cm

  • Number 1 from an edition of 3 plus 1 artist's proof.

Brain R, 2019

Sailstorfer transformiert den Alltagsgegenstand Seil, ein Werkzeug des Haltens und Bindens, in eine autonome Skulptur, die festhält, was sich sonst verflüchtigt: Ideen, Spannung, Bewegung. Das scheinbar zufällige Knäuel entpuppt sich als präzise Inszenierung, in der physische Masse und poetische Assoziation kollidieren. Brain R lädt dazu ein, Material als Erinnerungsträger zu lesen – als Denkraum, der sich nicht entwirrt, sondern Kraft daraus schöpft, dass er sich verschließt.

Sailstorfers Werk zeigt hier erneut seine charakteristische Verschiebung von Funktion zu Fiktion: Was im Alltag Bindung stiftet, wird im Kunstkontext zu einer Skulptur mentaler Zustände. Brain R macht sichtbar, dass Denken körperlich ist – verknotet, widerständig, energiegeladen. Der scheinbare Widerspruch zwischen Schwere und Vorstellungskraft wird zur produktiven Spannung, die dieses Objekt nicht nur zeigt, sondern speichert.

  • Bronze

  • 27 x 26 x 37 cm; 10 2/3 x 10 1/4 x 14 1/2 in

  • Unikat

Antiherbst, 2013

Michael Sailstorfers Antiherbst unterläuft den natürlichen Zyklus der Jahreszeiten, indem der Künstler dem Fallen der Blätter aktiv widerspricht. Für die Arbeit sammelt Sailstorfer herabgefallene Blätter auf, koloriert sie künstlich in leuchtenden Tönen und bringt sie anschließend wieder am Baum an. Dieser bewusst artifizielle Eingriff verwandelt ein alltägliches Naturgeschehen in eine skulpturale Setzung – ein Versuch, das Vergehen aufzuhalten, den Herbst rückgängig zu machen und den Moment des Wandels zu überlisten.

Doch der „Antiherbst“ bleibt ein poetischer Widerstand: Die manipulierten Blätter verraten ihre Künstlichkeit, sie wirken wie ein Ornament gegen die Zeit. Sailstorfer zeigt damit sowohl den menschlichen Wunsch nach Kontrolle über Vergänglichkeit als auch die Unmöglichkeit, natürliche Prozesse dauerhaft zu stoppen. Die Arbeit kippt zwischen Humor, Melancholie und technischer Präzision – und macht die Jahreszeit selbst zum Material einer leisen, aber eindringlichen Intervention.

  • archival pigment print (12 pcs)

  • framed

    40 x 60 cm; 15.7 x

    23.6 in

    frame 61.7 x 61.7

    cm; 24.3 x 24.3 in

  • 1/4 + 2AP