Karl Haendel

Der US-amerikanische Künstler Karl Haendel (*1976, New York) ist grundsätzlich bekannt für großformatige Bleistiftzeichnungen, in denen er Fotografien, mediale Bilder und politische Symbole neu kontextualisiert. Dabei versteht er Bilder nicht als Darstellungen, sondern als Argumente: Sie verhandeln Macht, Empathie, Moral und die Art und Weise, wie visuelle Kultur unsere Werte formt.

Haendel vergrößert alltägliche Motive—Hände, Tiere, Objekte, Porträts oder Textfragmente—zu monumentalen, hypergenauen Zeichnungen. Durch diese Verschiebung verwandelt sich das beiläufige Bild in ein gesellschaftliches Statement. Oft arbeitet er in Serien und installativen Arrangements, in denen die Zeichnungen als visuelle Argumentkette funktionieren.

In Haendels Werk wird Zeichnung zu einem analytischen Werkzeug: so präzise wie ein Dokument, so suggestiv wie Werbung und zugleich kritisch wie eine Reportage. Seine Arbeiten zeigen, wie Bilder Weltanschauungen produzieren—und wie sehr wir ihnen ausgeliefert sind.

Covid Dance Party 1-4, 2020

(Brandshof, Hamburg / Ego, Hamburg / Rechenzentrum, Berlin Tresor, Berlin)

In der vierteiligen Serie Covid Dance Party 1–4 zeigt Karl Haendel ikonische Clubs aus Hamburg und Berlin zu Beginn der Pandemie: menschenleer, kalt, plötzlich funktionslos. Wo sich sonst Körper drängen, Musik pulsiert und kollektive Ekstase entsteht, herrscht Stillstand. Haendel zeichnet diese Räume in monumentaler Präzision und verwandelt sie in stille Architekturen des Entzugs – Orte, an denen Nähe verboten war.

Doch der radikale Bruch entsteht erst durch die Übermalung seiner sechsjährigen Tochter. Mit bunten Strichen, Figuren, Ornamenten und ungebändigter Fantasie belebt sie diese erstarrten Räume, als würden Kinderprojektionen die verlorene Gemeinschaft ersetzen. Was in der Realität verboten war – tanzen, zusammen sein, laut und körperlich sein – findet im kindlichen Spiel plötzlich wieder statt. Die Clubs werden zu Bühnen ihres freien Erfindens, zu Orten, an denen niemand Regeln festlegt.

Dieser künstlerische Dialog zwischen Vater und Tochter schafft eine paradoxe Umkehrung: Nicht die Erwachsenen erträumen das Leben zurück, sondern ein Kind produziert es naiv, selbstverständlich, ohne jede Nostalgie. Covid Dance Party 1–4 wird dadurch zu einem unerwarteten Zeitdokument. Es handelt nicht vom Verlust der Clubkultur, sondern von der Resilienz von Vorstellungskraft. Die Serie erinnert daran, dass Räume nicht nur durch Menschen gefüllt werden können, sondern auch durch das, was wir ihnen imaginieren – und dass Zukunft manchmal dort beginnt, wo Erwachsene nichts mehr wissen und Kinder einfach weitermachen.

  • Diverse

  • 356,8cm

  • Unikat

Covid Dance Party 1-4, 2020

(Brandshof, Hamburg / Ego, Hamburg / Rechenzentrum, Berlin Tresor, Berlin)

  • Kalkstein, Eiche, Bronze

  • 210cm x 250cm x 320cm

  • Unikat

Covid Dance Party 1-4, 2020

(Brandshof, Hamburg / Ego, Hamburg / Rechenzentrum, Berlin Tresor, Berlin)

  • Holz und Stein

  • 82,5 x 45 x 48cm

  • Unikat

How Do I Sell More Art, 2018

In How do I sell more art? verhandelt Karl Haendel die Ökonomie der Kunst, indem er sie sichtbar macht. Das Werk besteht aus einem langen, schonungslos direkten Text, der wie ein innerer Monolog über Erfolg, Geschmack und Verzweiflung klingt: Soll Kunst bunter sein? Weniger politisch? Mehr Sex? Influencer-tauglicher? Ist ein weißer Mann noch marktfähig? Und warum sind Zeichnungen weniger wert als Gemälde?

Doch der entscheidende Punkt liegt nicht im Inhalt allein, sondern im Material seiner Sprache. Jeder einzelne Buchstabe ist eine überdimensionale Bleistiftzeichnung, präzise, körperlich, zeitintensiv. Haendel reproduziert kein gedrucktes Wort – er zeichnet Druck. Damit wird die Sprache nicht zum schnellen Medium des Denkens, sondern zu einem handwerklich belasteten Objekt. Der Text, der Überproduktion, Effizienz und Marktlogik kritisiert, entsteht durch ein extrem langsames, antiökonomisches Verfahren. Haendel antwortet auf Verkaufsdruck mit Zeit.

Die Selbstreflexion kippt so in eine performative Geste: Das Werk stellt Fragen nach Verwertbarkeit, während es selbst eine materialisierte Verweigerung von Effizienz darstellt. Es verkauft die Krise des Verkaufens – und macht sie zugleich sichtbar im Prozess. Was hier zu erwerben wäre, ist nicht der Inhalt einer Klage, sondern die minutiös gezeichnete Masse an Sprache, die das System kritisiert und gleichzeitig bedient.

How do I sell more art? wird damit zum paradoxen Objekt: ein vermeintlicher Hilferuf, der gerade durch seine Form die Antwort liefert. Kunst verkauft sich nicht trotz Widerstand – sie verkauft sich, weil sie Widerstand sichtbar macht.

  • Bleistift auf Papier

  • 138,5 × 114,3 cm

  • Unikat