Alicja Kwade

Alicja Kwade erforscht in ihren Arbeiten die Grenzen unserer Wahrnehmung und stellt vermeintliche Gewissheiten radikal infrage. Mit skulpturaler Präzision und philosophischer Tiefe verwandelt sie Materialien in Denkmodelle über Zeit, Raum und Realität. Ihre Werke eröffnen Perspektivwechsel, die das Bekannte verschieben und das Unmögliche denkbar machen – ein zentraler Grund, warum sie in der Sammlung Hertz eine besondere Position einnimmt.

Against the run, 2023

Auf den ersten Blick wirkt es wie eine klassische Uhr – doch sie spielt mit unseren Erwartungen:
Das Zifferblatt dreht sich rückwärts, der Sekundenzeiger bleibt unbeirrbar senkrecht stehen – und trotzdem zeigt sie die korrekte Zeit.

Die Künstlerin Alicja Kwade hinterfragt damit, wie selbstverständlich wir die Systeme akzeptieren, die uns Orientierung geben.
Sie macht sichtbar, dass Zeit kein naturgegebenes Maß ist, sondern ein menschliches Konstrukt – und dass neue Perspektiven dort beginnen, wo Vertrautes ins Wanken gerät.

  • Diverse

  • 356,8cm

  • Unikat

Little Tripple Be-Hide, 2019

Drei Steine, zwei Spiegel – was wir sehen, ist nie ein einzelnes Objekt, sondern eine gespiegelte Konstruktion.

Kwade interessiert sich für die Mechanismen, mit denen wir „Realität“ erkennen: Woran messen wir Echtheit, wenn Materialien simuliert werden und Wahrnehmung sich über Spiegel bricht? Die Arbeit entlarvt unsere Sehweise – das Natürliche ist künstlich, das Massivste ist kopiert, und der Spiegel wird zum Werkzeug, das Fiktion in vermeintliche Gewissheit überführt.

In diesem Zusammenspiel aus rohem „Naturstein“ und präziser Spiegelfläche stehen zwei Weltmodelle nebeneinander: Zufallsform und technische Reproduktion, Naturgeschichte und industrielle Herstellung. Little Triple Be-Hide macht sichtbar, wie wenig wir sehen müssen, um zu glauben – und wie schnell Wahrnehmung zur Konstruktion wird.

  • granite, bronze patinated, mirror

  • 110 x 168 x 75 cm

  • Unikat

Siège du Monde, 2022

„Siège du Monde“ verwandelt ein alltägliches Objekt in ein philosophisches Modell. Alicja Kwade kombiniert einen Stuhl mit einer massiven Steinkugel und verschiebt damit unsere gewohnte Beziehung zwischen Funktion, Gewicht und Bedeutung. Die skulpturale Konstellation fordert heraus: Was trägt hier wen – der Stuhl die Welt oder die Welt den Stuhl? Kwade untersucht, wie wir Objekten Rollen und Ordnungen zuschreiben, und zeigt, dass Stabilität immer eine Frage der Perspektive ist.

  • Holz und Stein

  • 82,5 x 45 x 48cm

  • Unikat

Three trees tell, 2020

„Three Trees Tell“ verbindet Natur, Materialtransformation und Wahrnehmungsverschiebung zu einer skulpturalen Erzählung. Drei Bäume – oder Fragmente davon – erscheinen in unterschiedlichen Zuständen: als natürlicher Stamm, als industriell verarbeitetes Objekt und als vermeintlich identische Replik. Alicja Kwade untersucht damit, wie sich Wirklichkeit in Material, Form und Bedeutungszuschreibung verändert. Die Arbeit offenbart, dass Identität kein fixer Zustand ist, sondern ein Prozess: Was ist Original, was Kopie, was Konstruktion? „Three Trees Tell“ macht sichtbar, dass selbst das Offensichtliche mehrere Geschichten zugleich erzählt.

  • Kalkstein, Eiche, Bronze

  • 210cm x 250cm x 320cm

  • Unikat

Principium, 2022

„Principium“ (2022) setzt einen aus Metall geformten DNA-Strang in direkte Beziehung zu einem Smartphone. Alicja Kwade kontrastiert das biologische Fundament des Lebens mit einem der prägendsten technologischen Objekte unserer Zeit. Die skulpturale Gegenüberstellung öffnet einen Dialog über Ursprung und Fortschritt: Wo beginnt Wissen, wo entsteht Identität, und wie formen Technologie und Biologie unser Verständnis von Wirklichkeit? Kwade zeigt, dass die Fragen nach Herkunft und Zukunft untrennbar miteinander verwoben sind – und dass jedes Prinzip, das uns Orientierung gibt, zugleich ein Produkt menschlicher Konstruktion bleibt.

  • Bronze

  • 30 × 16 × 16cm

  • Edition 12 + 3 A.P.

Gold Volks, 2015

„Gold Volk (Taiwan)“ visualisiert die Goldbestände eines Landes, heruntergebrochen auf den Anteil pro Einwohner. Alicja Kwade übersetzt abstrakte volkswirtschaftliche Zahlen in ein physisches, greifbares Objekt und macht sichtbar, wie ungleich Werte global verteilt sind. Die skulpturale Verdichtung zeigt, wie stark unser Verständnis von Wohlstand, Stabilität und nationalem Besitzstand an statistischen Konstruktionen hängt. Durch die materielle Darstellung des individuellen Goldanteils legt Kwade offen, dass ökonomische Ordnungssysteme nicht naturgegeben, sondern menschengemacht und politisch gerahmt sind.

  • Gold

  • 9,8mm x 9,8mm

  • Eine von 97 landesspezifischen Unikaten.

168h (=1 Woche), 2015

Eine Woche in einer Linie: 168h übersetzt den uns vertrauten Begriff der Zeit in eine physische Spur. Über die gesamte Länge des Blattes sind winzige Stundenzeiger gesetzt – 168 Markierungen, eine für jede Stunde einer Woche. Was sonst abstrakt im Kalender erscheint, wird hier messbar, sichtbar und fast körperlich.

Kwade versucht, Zeit zu vermessen, indem sie sie in identische Einheiten zerlegt. Doch die Gleichheit der Zeiger widerspricht der Erfahrung: Unsere Stunden sind nicht gleich lang, nicht gleich schwer, nicht gleich bedeutend. So wird aus dem Versuch der Präzision ein poetischer Widerspruch. Die Arbeit zeigt nicht Zeit selbst, sondern wie wir sie konstruieren – und wie unzureichend solche Konstruktionen bleiben.

  • brass (pocket watch hands) on cardboard, framed

  • 34 × 300 cm

  • Unikat